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Sachbuch-Rezensionen

Eine Reise in Briefen ergänzt durch Texte aus der „Fregatte Pallas“

Zur geschichtlichen Situation

Wie etliche westliche Länder, versuchte auch Russland schon seit längerer Zeit mit Japan Verträge zur Öffnung des Landes abzuschliessen. Die Expedition Putjatins fand fast zur gleichen Zeit wie die amerikanische Mission unter Commodore Perrys statt. Im Gegensatz zu Perry, der die japanische Hinhaltediplomatie mit einer deutlichen Machtdemonstration durch das Auffahren von  einigen modernst ausgerüsteten Kriegsschiffen („schwarze Schiffe“) direkt in Edo durchkreuzte und damit als Erster die Öffnung Japans durchsetzen konnte, setze Putjatin in Nagasaki auf geduldige Verhandlungen ohne Drohungen. Inhalt der russisch-japanischen Verhandlungen waren – neben der Öffnung japanischer Häfen für den Handel – auch territoriale Fragen bezüglich der Kurilen und Sachalin. Wegen des Krimkrieges konnte Admiral Putjatin seine Aufgabe zunächst nicht erfolgreich zu Ende führen. Erst am 7. Februar 1855 konnte der erste russisch-japanische Vertrag in Shimoda unterzeichnet werden.

Zum Reisebericht

Gontscharow war Teilnehmer der russischen Japan-Expedition unter Admiral Putjatin von 1853 - 1855. In seiner Fuktion als Sekretär war er verantwortlich für die Abfassung des offiziellen Reiseberichts („Fregatte Pallas“). „Für den Zaren um die halbe Welt“ ist Gontscharows persönlicher Reisebericht dieser Expedition.  In Briefen und Versatzstücken aus dem offiziellen Reisebericht schildert er hier seine persönlichen Erfahrungen ohne ein Blatt vor den Mund nehmen zu müssen.

Was Gontscharow interessant macht ist nicht so sehr die Schilderung Japans. Dieser Teil nimmt tatsächlich relativ wenig Raum ein. Es sind vielmehr die Schilderung der Mühe und Gefahren, die man auf sich nehmen musste, Japan zu erreichen: Die Expedition musste den langen Weg über die Ost- und Nordsee, Atlantik  und Indischen Ozean nehmen, während der Mission brach der Krimkrieg aus und zwang die Expedition zu zeitraubenden „Versteckspielen“, man geriet vor Yokohama in einen Tsunami und verlor die Schiffe und Gontscharow selbst musste die Heimreise über Land, quer durch ganz Sibirien, antreten.

Ingesamt ist der Reisebericht – trotz einiger Längen – eine durchaus spannende Lektüre.

Auszüge  aus dem Buch

„Von den Bonin-Inseln bis Japan ist es keine Reise, sondern eine Spazierfahrt, zumal im August. Es ist in diesen Breiten die beste Zeit des Jahres. Himmel und Meer wetteifern untereinander, wer schöner, wer stiller, wer blauer ist, mit einem Wort, wer den Reisenden besser gefällt. […] Am 20. August sichteten wir bei klarem, aber leider ungewöhnlich heißem Wetter das geheimnisvolle Märchenreich. Es waren erst seine südlichsten Inseln, die äußersten Ränder, Inselchen und Felsen des japanischen Archipels; sie tragen europäische und japanische Namen. Da gab es eine Julia-, eine Klarainsel, ferner Jakunosima, Nomosima, Ivasima, dann kamen die Saki: Tagasaki, Kossaki, Nagasaki. Sima bedeutet Insel, Saki ist soviel wie Kap, oder umgekehrt, ich entsinne mich nicht. […] Da sind wir also nach zehn Monaten endlich am Ziel unserer mühevollen Reise. Vor uns liegt dieser verschlossene Schrein mit dem verlorenen Schlüssel, das Land, in das so viele bisher vergeblich hineinblicken wollten und dessen Bekanntschaft sie mit Hilfe von Gold oder mit Waffengewalt oder politischer Schlauheit zu machen trachteten. Vor uns befindet sich eine an Zahl erhebliche Menge der Menschenfamilie, die sich dem Joch der Zivilisation geschickt entzieht und sich erkühnt, nach eigenem Sinne, nach eigenen Gesetzen zu leben, Freundschaft, Religion und den Handel mit anderen Völkern hartnäckig ablehnt, über unsere Versuche, sie aufzuklären, lacht und dem natürlichen, nationalen und jedem anderen europäischen Recht wie auch Unrecht die eigenen, willkürlichen Ameisenhaufen-Gesetze entgegenstellt.[…] Wird es noch lange so bleiben? fragten wir und tätschelten unsere Sechzigpfünder. Wenn die Japaner wenigstens zuließen, dass wir sie studierten und ihre natürlichen Reichtümer kennenlernten! Für Geografie und Statistik gibt es unter den besiedelten Stellen des Erdballs fast nur noch eine einzige Lücke, und das ist Japan.“

Man muss bemerken, dass die Bucht von Shimoda zum Meer hin offen ist […]. Am 11. Dezember 1854 um 10 Uhr morgens (erzählte der Admiral) bemerkten er und andere, die sich in der Kajüte befanden, dass Tische, Stühle und die übrigen Gegenstände ins Schwanken gerieten. [...] Schleunigst ging man an Deck. Alles schien noch ruhig zu sein. In der Bucht war kein Seegang bemerkbar, aber das Wasser schien gleichsam zu brodeln und zu wallen. Neben dem Städtchen Shimoda fließt ein ziemlich schneller Bergfluss, auf dem sich einige Dschunken befanden. Plötzlich kamen die Dschunken in rasche Fahrt, und zwar trieb es sie nicht mit der Strömung, sondern gegen sie, stromaufwärts. Eine seltsame Erscheinung! [...] Ich zeichne das Bild mit wenigen Strichen. Infolge eines Seebebens an der japanischen Küste ergoss sich ein gewaltiger Wasserschwall in die Bucht von Shimoda, der gegen die Ufer wogte und dann zurückflutete. Bevor er jedoch aus der Bucht abfließen konnte, kam ihm vom Meer eine zweite, noch größere Woge entgegen. Beide prallten zusammen, und das Wasser, das in der Bucht keinen Platz fand, geriet in eine kreisende Bewegung, überschwemmte die ganze Bucht und das Ufergelände bis zu den Höhen, auf die sich die Einwohner von Shimoda in Sicherheit gebracht hatten. Die zweite Welle überflutete ganz Shimoda und schwemmte alles bis auf den Grund fort. Dann folgte Welle auf Welle. Die Kreiselbewegung dauerte mit wachsender Stärke an und zertrümmerte, überspülte, ertränkte und riss alles, was an Land heil geblieben war, hinweg. Von tausend Häusern blieben sechzehn heil. Rund hundert Menschen fanden den Tod. Die Bucht War mit Trümmern von Hausern, Dschunken, von Leichnamen und einer ungezählten Menge verschiedenster Gegenstände, Hausrat usw. bedeckt. […]

Aus: Iwan A. Gontscharow, Für den Zaren um die halbe Welt: Eine Reise in Briefen, ergänzt durch Texte aus der »Fregatte Pallas«, Deutscher Taschenbuch Verlag.

Vorgestellt beim DJG-Stammtisch am 1. März 2012 (Peter Bauer)

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